Neue Bezahlformen des Journalismus
Viele Leser nutzen Online-Portale in zunehmendem Maße als wichtigste Informationsquelle. Guter Inhalt kostet Geld – auch online. Wir haben neuartige Bezahlformen für redaktionelle Beiträge recherchiert.
In sozialen Netzwerken werden neben bereits bestehenden Informationen inzwischen auch exklusive und anspruchsvolle journalistische Beiträge verbreitet. Den Journalisten bieten die Portale die Möglichkeit, sich mit den Konsumenten ihrer Texte auszutauschen. Überdies können sich die Medienschaffenden selbst als Qualitätsmarke etablieren.
Auch Unternehmen nutzen die digitalen Portale gerne, um sich mit Gastbeiträgen ihrer Führungskräfte als Experten zu präsentieren. Die Ausarbeitung der fachspezifischen Artikel obliegt dabei oftmals den PR-Agenturen.
Zeitgleich nimmt die Anzahl derer zu, die hochwertige Inhalte zu einem Thema online publizieren, ohne beispielsweise ein Journalismus-Volontariat absolviert zu haben.
Einer Studie zufolge ist jedoch nur jeder zweite Nutzer in Deutschland bereit, Geld für online angebotene mediale Inhalte zu bezahlen. Die Leser haben Bedenken, sobald sie redaktionelle Plattformen mit Streaming-Diensten wie Netflix und Spotify vergleichen. Der zu bestreitende Obolus für journalistische Angebote scheint vergleichsweise höher zu sein, wenn für 10 Euro auf die gesamte Musikwelt, viele Filme oder auf eine begrenzte Anzahl an Artikel zugegriffen werden kann.
Dennoch haben sich bereits diverse Online-Bezahlformate etabliert. Sie erlauben dem zahlungswilligen Leser einen möglichst komfortablen Zugang zu digitaljournalistischen Beiträgen. So bietet beispielsweise der Online-Kiosk ‚pocketstory‘ Nutzern die kein ganzes Heft lesen wollen, ausgesuchte journalistische oder literarische Qualitätstexte an. Über das Portal kann der Leser auf Beiträge freier Journalisten und in Printmedien erschienene und oftmals nicht frei verkäufliche Einzeltexte aus derzeit 80 Medienmarken und Online-Magazinen zugreifen.
Andere Social Payment Anbieter wie etwa ‚Kachingle‘ zielen wiederum darauf ab, bereits produzierte Inhalte wie Blogs zu finanzieren. Über die Plattform sind sowohl Artikel zu Gebühren im Micropayment-Bereich erhältlich als auch Beiträge, die für bis zu 20 Euro gehandelt werden. Für die Vermarktung der Texte setzt dieser Inhaltsanbieter auf den Netzwerkeffekt. Interessieren sich Leser für einen Beitrag, ermöglicht ein Button auf der Website die Überweisung der entsprechenden Summe an den Urheber.
Die niederländische Online-Nachrichtenplattform ‚Blendle‘ hat hingegen im Online-Kiosk das Micropayment-Modell eingestellt. Der Portalbetreiber fokussiert vielmehr auf ein hauseigenes Premium-Abo-Modell und stellt seinen Lesern ausgewählte Artikel und Zeitschriften für einen monatlichen Beitrag von 10 Euro zur Verfügung.
Projektfinanzierung über das Internet
Sollen hingegen einzelne Projekte finanziert werden, bieten sich ‚Crowdfunding‘ und ‚Social Payment‘ Plattformen an.
Beim Crowdfunding wird dazu auf einem Internetportal eine Idee für einen Artikel vorgestellt und die für die Umsetzung erforderliche Summe genannt. Jedermann kann dann innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens einzahlen, um im Gegenzug eine definierte Leistung zu erhalten.
Die Macher des 2013 gegründeten niederländischen Onlinetitels ‚De Correspondent‘ haben auf diese Weise zum Beispiel 18.933 Mitglieder gewonnen. Das werbefreie Onlinemagazin finanziert sich mittlerweile ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge, wobei rund 62.000 Mitglieder sieben Euro pro Monat oder jährlich 70 Euro für die Nutzung der Plattform zahlen.
Auf ein Mitgliedschaftsprogramm ohne Finanzierungsziel und ohne maximale Laufzeit setzt hingegen die Crowdfunding-Plattform ‚Steady‘. Hier können Mitglieder verschiedenste Medienangebote wie zum Beispiel Blogs, Podcasts und Videos nutzen.
Die Non-Profit-Organisation ‚Knight Foundation‘ engagiert sich wiederum für die Finanzierung von investigativem Journalismus. Dazu unterbreiten Journalisten zahlungswilligen Interessenten bestimmte Recherchevorhaben und nennen den dafür erforderlichen Betrag. Auf diese Weise wurde eine Reportage über den Arabischen Frühling mit 3.500 US-Dollar bestritten.
Die Plattform ‚Emphas.is‘ ermöglicht es hingegen Fotojournalisten, ihre Arbeiten zu finanzieren. So konnten zum Beispiel für eine Foto-Reportage über die wirtschaftliche Situation amerikanischer Ureinwohner knapp 26.000 US-Dollar eingesammelt werden.
Auch das Onlineportal ‚RiffReporter.de‘ setzt auf ein Bezahlmodel. Hier können die Nutzer zwischen unterschiedlichen Varianten wählen: der freiwilligen Zahlung, der einmaligen Vergütung für einen bestimmten Artikel oder einem Beitrags-Abo zu einem bestimmten Projekt. Eine weitere Option ist der sogenannte ‚Club-Kauf‘, bei dem Leser mit einer einmaligen Zahlung sämtliche Artikel zu einem konkreten Projekt erstehen.
Gleichzeitig entscheiden die RiffReporter-Autoren selbst, ob sie ihre Texte gegen Bezahlung oder (vorerst) kostenfrei anbieten wollen. Weil auch Gratisartikel sorgfältig erstellt werden, können Leser über den Button ‚Projekt unterstützen‘ die Autoren mit einer Einmalzahlung oder einem Abo begünstigen. Das ‚freiwillige Abo‘ bietet dem Leser hingegen zu einem selbst festgesetzten Beitrag Zugang zu allen Artikeln eines Autoren-Projektes. Das gilt auch dann, wenn die journalistischen Beiträge zu einem definierten Projekt später in ein zahlungspflichtiges Modell wechseln.
Die Autoren werden hier direkt honoriert. Ein geringer Anteil der Honorare fließt außerdem an eine ‚RiffReporter-Genossenschaft‘, um langfristige Projekte zu finanzieren. Nutzer können diese Genossenschaft als Fördermitglied stärken.
Ein weiteres innovatives Geschäftsmodell im Journalismus sind Stiftungen, die teilweise auch staatlich unterstützt werden. So finanziert sich zum Beispiel das journalistische Internet-Projekt ‚VOCER‘ in Deutschland ausschließlich über Stiftungsgelder und Spenden. Die von mehreren Einrichtungen sowie der Bundeszentrale für politische Bildung getragene Stiftung widmet sich den Bereichen Mediendebatte und -kritik. Der herausgebende gemeinnützige Verein für Medien- und Journalismuskritik (VfMJ) engagiert sich hingegen für die Vernetzung von Medienkritik und kümmert sich überdies um die journalistische Nachwuchsförderung.
Reine Kopfsache
Einschlägigen Umfragen zufolge sind Leser derzeit am ehesten bereit für Inhalte mit persönlicher Relevanz und praktischem Mehrwert zu bezahlen. Dabei haben die Ressorts Wirtschaft, Politik oder Wissenschaft betreffende Beiträge eine höhere Akzeptanz als beispielsweise Artikel über Sport und Kultur.
Zeitgleich wollen viele Plattformen ihre Leser nicht nur über wichtige Ereignisse so schnell wie irgend möglich informieren, sondern vermehrt auch die aufwändig recherchierte Hintergrundberichterstattung anbieten. Der diesen Texten zugrunde liegende Aufwand muss indessen entsprechend honoriert werden. Medien arbeiten deshalb daran, angemessene Bezahlmodelle für die Nutzung ihrer Online-Angebote zu etablieren.