Fachartikel richtig texten
Jeder Artikel ist aufs Neue eine Herausforderung. Auch dieser hier, denn der interessierte Leser wird das Geschriebene sogleich mit den dargestellten Ratschlägen vergleichen. Aber die hohen Ansprüche sind angebracht, denn zu viel Zeit hat heute keiner mehr und schließlich wollen wir, dass unsere Texte gelesen werden. Kommen wir also auf den Punkt: Wie schreibt man einen ansprechenden Fachartikel?
Formen des Fachartikels B2B
Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf zwei Arten von Fachartikeln des B2B-Marketing: den Fachartikel, der ein Produkt oder eine Technologie beschreibt und den Anwendungsbericht (auch „Case Study“ genannt), der ein Produkt innerhalb einer Anwendung bzw. im Einsatz beschreibt und dabei sowohl den Produkthersteller als auch den Anwender zu Wort kommen lässt. Wir nehmen die Situation an, dass Sie einen PR-Bericht im Namen Ihres Unternehmens texten und diesen einer Redaktion der Fachpresse anbieten.
Im Grunde wünschen sich Redakteure immer einen Bezug zur Anwendung und damit zum realen Einsatz, auch beim Fachbericht. Was für den Entwickler eines Produkts eine Selbstverständlichkeit ist, ist es für den Leser noch lange nicht. Er muss vermittelt bekommen welche Vorteile er durch den Einsatz des neuen Produkts / der neuen Lösung erhält. Beschreiben Sie deshalb auch bei einem PR-Fachartikel über Ihr Produkt nicht nur dieses, sondern zeigen Sie technische Eigenschaften in Bezug zur Anwendung auf. Je konkreter Sie dabei auf die Problemstellung innerhalb eines spezifischen Marktumfeldes eingehen, desto besser.
Im Anwendungsbericht kommt Ihr Kunde mit seinen Anforderungen zu Wort. Allein durch diese Tatsache ist der Anwendungsartikel meistens ausführlicher und damit länger als ein Produktbericht. Versuchen Sie in jedem Fall die im „Gegencheck“ aufgeführten Fragen zu beantworten.
Gegencheck Anwendungsbericht:
Beantwortet Ihr Text folgende Fragen?
- Wie sah die vorherige Lösung aus?
- Warum war Ihr Kunde mit der alten Lösung unzufrieden?
- Aus welchen Beweggründen hat man sich für die neue Lösung entschieden?
- Hätte es Alternativen gegeben? Wenn ja welche und warum kamen sie nicht zum Zug?
- Wie funktioniert die neue Lösung?
- Welche Vorteile hat der Anwender mit der neuen Lösung und wie lassen sich diese belegen?
- Seit wann ist die neue Lösung im Einsatz, gibt es bereits Erfahrungswerte?
Wo es geht, verdeutlichen Sie durch technische und wirtschaftliche Fakten; das heißt: Zahlen.
Für wen schreiben Sie?
Bevor Sie zu texten beginnen, führen Sie sich vor Augen, für wen der Text gedacht ist. In den meisten Fällen richtet sich ein technischer Fachartikel an Ingenieure, Konstrukteure, Entwickler in den jeweiligen Abteilungen. Damit können Sie ein generelles Verständnis für Fachbegriffe voraussetzen und sollten vermeiden so zu schreiben, wie Sie es morgens in Ihrer regionalen Tageszeitung lesen. Allerdings beschreibt Ihr Fachbeitrag i. d. R. eine Produktneuheit oder eine neue Lösung in einem spezifischen Feld und deshalb gilt, dass Ihre Fachtermini kurz und prägnant erklärt werden dürfen.
Eine angemessene technische Tiefe versteht sich von selbst, hängt jedoch in der Ausprägung vom einzelnen Magazin und seinen Lesergruppen ab.
Überlegen Sie immer: Auf welchem Informationsstand werden sich die meisten Leser befinden? Und: Holen Sie den Leser ab. Es entscheiden wenige Sekunden, in denen er entscheidet ob das Thema relevant und interessant ist. Womit wir beim Einstieg wären:
Locken Sie in den Text: Headline und Intro
Aller Anfang ist schwer, das gilt auch für einen Fachbeitrag. Kleiner Tipp deshalb: Schreiben Sie den Einstieg – „das Fettgedruckte“ – ruhig am Schluss, wenn alle Argumente gesammelt und im Kontext dargestellt sind. Oft geht dann das berühmte Licht auf und die Einleitung enthält die Fakten, die am wichtigsten sind. Das muss sie, denn der Anfang ist immens wichtig: er lockt den Leser und zieht ihn in den Text. Die Einleitung soll Appetit machen, sie ist keine Zusammenfassung.
Für die Überschrift ist wenig Platz: Bringen Sie das Thema kurz und knapp auf den Punkt. Manche Redaktionen veröffentlichen eine Sub-Head, d. h. eine Ergänzung zur eigentlichen Headline. Beschränken Sie sich auch hier auf wenige Worte.
Bei Pressemitteilungen spricht man von den „W-Fragen“, die gleich zu Beginn abgehandelt werden sollten: wer macht was wann warum wo und wie? Da Ihnen bei einem B2B-Fachartikel mehr Platz als bei einer Pressemitteilung zur Verfügung steht, müssen diese Fragen nicht komprimiert zu Beginn in ein paar Zeilen gepresst werden. Aber zu lange sollten Sie mit diesen Informationen auch nicht warten: Eine Seite oder ein Klick weiter wartet die Konkurrenz.
Zwei beispielhafte Einstiege der Gattungen B2B-Fachartikel und B2B-Anwendungsbericht:
Kompakte Plug- and Play-Lösung:
Shuntbasierte Sensorik für Ströme unter 100 Ampere
Eine Verschmelzung von Halbleitertechnologie und shuntbasierter Messwerterfassung – diese Kombination steckt in dem neuen Stromsensor ILF der Isabellenhütte. Er wird direkt auf der Leiterplatte montiert und gibt für den zu messenden Strom einen äquivalenten Spannungswert am analogen Ausgang aus. Mit einem Strommessbereich bis 100 Ampere eignet sich der niederohmige Stromsensor unter anderem für Frequenzumrichter in industriellen Anwendungen oder in Solarinvertern.
oder:
Ernteroboter könnte grünen Spargel günstiger machen
Warum zählt Spargel eigentlich zum teuersten Gemüse Europas? Weil Erntehelfer in mühevoller Arbeit jede Stange einzeln stechen müssen. Ändern könnte das ein Roboter, den Ingenieure am Bremer Centrum für Mechatronik (BCM) entwickeln. Er arbeitet mit Erntewerkzeugen, die auf Präzisionsschienen des britischen Unternehmens Hepcomotion fahren – ein Spezialist für Linearführungssysteme mit einer Niederlassung im bayerischen Feucht.
Der Einstieg muss für sich alleine stehen können. Der folgende Hauptteil des Artikels wird im Grunde separat begonnen und führt nun in das Thema ein.
Die Schreibweise: lebendig-sachlich-informativ
Sind „lebendig“ und „sachlich“ kein Widerspruch? Nein. Vermitteln Sie Bilder im Kopf Ihres Interessenten – welche Probleme löst das Produkt, in welcher Anwendung und in welcher Branche ist es relevant. Vermeiden Sie alles, was in Richtung persönliche Meinung oder werbliche Darstellung geht. Lobhudelei gehört nicht in einen Fachbeitrag. Je informativer, desto glaubwürdiger.
Die Länge eines Satzes ist nicht gleichzusetzen mit seinem Inhaltsreichtum. Vergewissern Sie sich deshalb, dass die Aussage Ihrer Sätze klar erkennbar ist und sich nicht hinter kunstvoll verwobenen Satzkonstruktionen und ausgefallenem Wortschatz versteckt.
Vermeiden Sie wo es geht den Nominalstil, also das Aneinanderreihen von Substantiven bzw. die „Substantivierung von Verben“ und passive Sätze. Setzen Sie stattdessen auf eine aktive Sprache. Einfaches Beispiel: „das Unternehmen produziert …“ statt „es werden … hergestellt“ oder „die Herstellung beinhaltet …“.
Übertreiben Sie es nicht mit unnötigen Steigerungsformen. Außer Sie können den Unterschied zwischen „Präzision, hoher Präzision und höchster Präzision“ erklären.
Strukturieren und Beleben durch Zwischenüberschriften, Zitate und Infokästen
Zwischenüberschriften sind Anker. Sie erhöhen die Lesbarkeit, strukturieren den Artikel und können wichtige Fakten nochmals herausheben. Ein übersichtlich wirkender Text macht zudem von Beginn an mehr Lust aufs Lesen.
Zitate beleben den Text – einerseits. Zu schnell und häufig hintereinander können sie jedoch andererseits den Lesefluss stören; deshalb sollten sie wohl dosiert eingesetzt werden und eine relevante Aussage wiedergeben.
Infokästen sind ein probates Mittel um Informationen hervorzuheben, zusätzliche zu bieten oder einen Überblick über technische Fakten zu geben. Manchmal vermitteln Infokästen auch eine kompakte Zusammenfassung des Beitrags und holen die eiligen Leser ab.
Vergleich mit der Konkurrenz?
Ein sachlich angestellter Vergleich verschiedener Systeme, Verfahren o. ä. ist für den Leser sehr informativ. Es ist jedoch ratsam, vorsichtig damit umzugehen: keine namentliche Nennung Ihres Konkurrenten im Fachbeitrag und wo Sie unsicher sind, beanspruchen Sie besser keine Exklusivität, „der einzige Hersteller von …“.
Zu einem möglichst neutralen Vergleich zählt jedoch auch, dass Ihre Konkurrenz ebenfalls punkten darf.
Zeichen und Anschläge
Für die Veröffentlichung im gedruckten Magazin nennen Redakteure als Anhaltspunkt für die Länge gerne 6.000 – 8.000 Zeichen. Das ist etwas verwirrend, denn mit der Vorgabe „8.000 Zeichen“ sind eigentlich „8.000 Anschläge“, also Zeichen plus Leerzeichen gemeint. Einfach überprüfen lässt sich die Länge eines Beitrags mit der Word-Funktion „Wörter zählen“ im Reiter „Überprüfen“.
Hilfreich für den Redakteur, der Ihren Fachartikel schnell auf die vereinbarte Länge überprüfen wird, ist eine Angabe am Schluss des Textes zu Zeichen und Anschlägen.

Auch wenn es schwerfällt: Halten Sie sich so gut es geht an die Vorgabe der Redakteure. Liefern Sie also nicht 15.000 Zeichen, wo 10.000 vereinbart waren. Alles andere bedeutet für die Redakteure (die den Text nun kürzen müssen) wie auch für Sie nur unnötigen Aufwand.
Wird Ihr PR-Fachbeitrag online veröffentlicht, sind der Länge weniger Grenzen gesetzt. Möglicherweise wird Ihr Text sowohl in einer Langversion online, wie auch in einer Kurzversion print, veröffentlicht. Sprechen Sie dies mit der Redaktion vorher ab um sich bestmöglich auf Inhalt und Länge vorzubereiten.
Für den Fall, dass Ihr Fachartikel ins Englische übersetzt wird: Ein Text in deutscher Sprache ist etwa 25 % länger als dessen englisches Pendant.
Die Schreibweise von Unternehmen und Markenzeichen
Ein leidiges Thema für jeden Texter: Die Schreibweise von Unternehmensnamen in PR-Artikeln und der Ruf (aus dem eigenen Unternehmen) danach, doch bitte die Markenschreibweise beizubehalten und eingetragene Markenzeichen zu berücksichtigen. Wie auch immer Sie des lieben Friedens willen den PR-Fachbeitrag abgeben: Der Redakteur wird ihn überarbeiten und aus Ihrer Groß- oder Kleinbuchstabenfirma „MÜLLER/müller“ wird die Schreibweise „Müller“, wie auch Mittel-Initialen („MüllerHuber“) redigiert werden („Müller-Huber“ oder „Müllerhuber“). Selbst der bekannte Markenbegriff „IPhone“ fällt diesem Prinzip zum Opfer und musste sich schon mit der Schreibweise „Iphone“ abfinden – so ungewohnt dies auch erscheinen mag.
Sofern Ihr Firmenname also gesprochen werden kann, wird er, wie beispielhaft aufgezeigt, angepasst. Um den Lesefluss nicht zu stören, werden eingetragene Markenzeichen nicht berücksichtigt.
Alles in allem ist die vom Duden vorgegebene Schreibweise ein guter Anhaltspunkt.
Bei wissenschaftlicheren Texten kommt es vor, dass Quellenangaben und Literaturhinweise zu nennen sind. Dies tun Sie am besten am Schluss des Textes.
Die Schreibweise von Maßeinheiten
Eine ausführliche Erläuterung zur Schreibweise von Maßeinheiten würde den Rahmen sprengen und dafür gibt es den Duden. Beschränken wir uns deshalb auf das Wichtigste, die Lesbarkeit und das Verständnis:- Zwischen Zahl und Maßeinheit gehört ein Leerzeichen
- Ebenso zwischen Zahl und Prozent: 100 %, aber: 100-prozentig
- 1.000 ist lesbarer als 1000
- Einheitliche Schreibweise im Zusammenhang: „Schiene A ist drei Meter lang, Schiene B fünfzehn Meter. / Schiene A ist 3 m lang, Schiene B 15 Meter.“
- (Winkel-)Gradzeichen stehen unmittelbar hinter der Zahl: 3°. Lesbarer auch hier: 3 Grad. Temperaturen werden gängig à la 3 °C angegeben.
- Mathematische Gleichungen in Ziffern schreiben
Bilder! Und Bildunterschriften

Bilder sind kein notwendiges Übel und auch kein mögliches Beiwerk: Sie können sogar über die Veröffentlichung entscheiden. Je professioneller Ihr Bild, desto glaubwürdiger Ihr Text. In technischen Artikeln der B2B-Fachpresse dienen Bilder zur Visualisierung und zur Erklärung des Geschriebenen, sie vertiefen sozusagen die Vorstellung des Sachverhalts. Es ist deshalb sinnvoll, Bilder passend zum Text, z.B. zur Anwendung, auszuwählen. Verdeutlichen Sie wo Sie können: mit Grafiken und Diagrammen (z. B. zu einem Temperaturverlauf, einer Langzeitstabilität etc.), Detailfotografien (der Sensor innerhalb der Anlage) u. ä.
Je nach Heftgestaltung haben Redaktionen unterschiedliche Wünsche, was das Aufmacherbild angeht. Klären Sie diese im Vorfeld ab. Für Bilder gilt im Printmagazin immer: 300 dpi Auflösung. Sie punkten mit Bildunterschriften, die wichtige Sachverhalte nochmals hervorheben oder Zusatzinformationen bieten – und nicht nur das zeigen, was der Leser ohnehin schon sieht.
Checkliste B2B-Fachbeitrag
Diese 6 Fragen sollten Sie mit einer Fachredaktion klären, bevor Sie zu texten beginnen:
- Um welche Art PR-Fachartikel soll es sich handeln? (Produktbeschreibung bzw. -vergleich, Case Study, Interview etc.)
- Welche Tatsachen müssen aus Sicht der Redaktion beleuchtet werden?
- Welche technische Tiefe ist gewünscht, wer sind die Lesergruppen?
- Wie groß soll der Umfang des B2B-Beitrags sein?
- Wie viele Bilder dürfen Sie liefern, gibt es Vorgaben für das Aufmacherbild?
- Und natürlich: Wann ist Redaktions-, also Abgabeschluss?
Das 4-Augen-Prinzip
Lassen Sie Ihren Text gegenlesen. Nach stundenlangem Abtauchen in technische Daten, Interviews und Recherche können Flüchtigkeitsfehler passieren oder schlimmer: Zusammenhänge kommen nicht wie gedacht rüber. Gönnen Sie Ihrem Text das Feedback eines Kollegen. Damit fühlen auch Sie sich sicherer.
Zum Schluss ein Autorentipp für das Texten an sich: Wolf Schneider. Seine Bücher (zum Beispiel „Deutsch für Profis“) sind Klassiker und gleichsam lehrreich wie unterhaltsam.