Wenn der CEO twittert
CEOs, die sich gesellschaftspolitisch äußern, provozieren seit geraumer Zeit eine Reihe von Fragen: Darf er oder sie das? Sollte er oder sie das? Oder anders gesagt: was darf und sollte ein Geschäftsführer*, ein Vorstandsvorsitzender auf welchen Kanälen kommunizieren und was nicht?
Grundsätzlich gilt: Die oberste Führungskraft sollte in heutigen Zeiten Kommunikationsprofi sein. Das gilt insbesondere für die Big Player unter den Unternehmen, die besonders im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen, aber auch für mittelständische Unternehmen, sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich. Es bedeutet nicht, dass ein CEO zu allen relevanten oder aber für das Unternehmen irrelevanten Themen seinen medialen Senf beisteuert. Vielmehr ist es wichtig, unterscheiden zu können, wann er selbst sich äußern sollte und wann er dies auch der Kommunikationsabteilung oder der mittleren Führungsebene überlassen kann – und muss.
Kernaufgabe Kommunikation
Die Disziplin „Kommunikation“ wird von vielen CEOs nicht unbedingt als ihre Kernaufgabe wahrgenommen, sondern an die entsprechende Abteilung delegiert. Davon abgesehen, dass CEOs dennoch ausreichend Wissen über Kommunikation vorweisen sollten, ist es sinnvoll, auch bei den Kommunikationsmaßnahmen hinzusehen, die für CEOs sehr wohl direkt relevant sind. Natürlich bewegt sich ein Chef nicht im Klein-Klein des Firmenalltags. Ihm kommt eine wichtige Aufgabe in der Kommunikation nach außen zu, wenn es um zentrale Entscheidungen und Neuerungen geht, Fusionen, Neuausrichtungen, Entlassungen. Auch in der Krisenkommunikation ist je nach Ausmaß des Problems der Geschäftsführer als Lenker und Erklärer gefragt, der Offenheit und Transparenz vermittelt. Noch wichtiger ist die Kommunikation nach innen: Ein abgehobenes Management, das nicht den Draht zur gesamten Belegschaft hält, verspielt Vertrauen und Loyalität der Mitarbeiter. Auch hier wirkt die direkte Ansprache des CEOs zu relevanten Themen wie Personalabbau oder Neuausrichtungen vertrauensbildend. Undenkbar, dass sich in diesen unsicheren Corona-Wochen der Chef nicht äußert und Mitarbeitern, Kunden und Partnern klar kommuniziert, wie sich die aktuelle Lage darstellt – und zwar in dieser Reihenfolge: erst die Mitarbeiter ins Boot holen, dann die Kunden und Partner informieren. Dies allein der Kommunikationsabteilung zu überlassen, wäre fahrlässig.
Die richtigen Kanäle nutzen
Dann kommen die Kommunikationskanäle ins Spiel. Jede Message muss passend gespielt werden. Den nötigen Personalabbau über den Blog im Intranet mit anschließendem Townhall-Meeting? Die neuen Maßnahmen zur Digitalstrategie als Pressemitteilung und auf allen Social-Media-Kanälen? Den Expertenrat zur Produktionsumstellung branchenfremder Firmen auf die Produktion von Beatmungsgeräten als Video-Podcast, TV- oder Radio-Interview oder Print-Interview in Fachzeitschriften? In den Sozialen Medien gibt es zwar eine Reihe von sehr präsenten deutschen Führungspersönlichkeiten, aber viele andere halten sich hier eher zurück. Geschuldet ist dies nicht zuletzt der – keinesfalls unbegründeten – Sorge, mit Äußerungen versehentlich ins Fettnäpfchen zu treten und so dem eigenen Ansehen und dem Unternehmen mit einem Shitstorm mehr zu schaden als zu nützen. Siemens-CEO Joe Kaeser kann davon sicherlich ein Lied singen. Zudem muss das, was Medien tatsächlich veröffentlichen, nicht der Zusammenhang sein, den der CEO kommunizieren wollte. Aussagen können verzerrt, aus dem Kontext gerissen oder missverständlich dargestellt werden. Auch darauf gilt es, angemessen zu reagieren, zu erklären oder richtigzustellen. Mit welchen oder über welche Medien kommuniziert werden sollten, setzt eine profunde Kenntnis der Medienlandschaft voraus – die der CEO in der Regel nicht hat. Hier sollte er auf externes Fachwissen setzen.
Authentisch bleiben
Was den Bereich Social Media angeht, ist die Frage, ob diese Kommunikationswege für jeden Chef geeignet sind. Muss jeder CEO twittern oder per LinkedIn usw. Follower bedienen? Die Antwort lautet: Nein. Und wenn er es möchte, sollte er es der Kommunikationsabteilung überlassen, für das Unternehmen über diese Kanäle zu kommunzieren. Social Media bedeutet Dialog und ist keine Einbahnstraße. Wann soll ein CEO antworten und wie viel Zeit soll er investieren? Das ist nicht zu schaffen. Dennoch kommt der öffentlichen CEO-Kommunikation eine hohe Bedeutung zu. Studien belegen, dass die Beurteilung des CEOs auf die Wahrnehmung des Unternehmens in der Öffentlichkeit einen hohen Einfluss hat. Je positiver der Auftritt des Chefs gewertet wird, desto höher sind die Zustimmungswerte zum Unternehmen. Und auch andersherum wirkt sich der öffentliche Auftritt des CEOs nach innen auf Loyalität und Akzeptanz der Mitarbeiter aus.
Kommunikativ fit werden
Wenn der Chef bisher kein Kommunikationsprofi ist, ist er daher gut beraten, sich in dieser Disziplin fit zu machen. Dazu gehört Ehrlichkeit zu sich selbst, was die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse angeht, aber auch die aktive Beschäftigung mit dem Thema: externe Beratung suchen, Medientrainings abhalten, die freie Rede üben und Themen benennen und antizipieren. Dabei ist genau zu überlegen, ob ein Themengebiet längerfristig besetzt werden soll oder nicht. Einmal zu kommunizieren und im Anschluss wieder abzutauchen, wird von den Medien bestraft.
Überzeugungen vertreten
Ein Knackpunkt sind politische Äußerungen des CEOs und seine Positionierungen zu gesellschaftlich aktuellen, brisanten Themen. Vielfach wurde in der Berichterstattung über Joe Kaesers Twitteraussagen die Unterscheidung gemacht zwischen dem hochbezahlten Angestellten Kaeser, der letztlich den Aktionären und dem Börsenwert des Unternehmens verpflichtet ist, aber mit politisch heiklen Aussagen womöglich internationale Aufträge in Gefahr bringt. Und auf der anderen Seite dem gestandenen Geschäftsführer, der sehr wohl eine gesellschaftspolitische Meinung darstellen darf, um Mitarbeitern und der Unternehmenssituation Gehör zu verschaffen. Tatsächlich wird der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens zunehmend vom Umgang mit den Interessen aller Stakeholder bestimmt, nicht nur denen der Anteilseigner.
Die Corona-Krise macht sehr deutlich, dass plötzlich in einer finanzgesteuerten Unternehmenswelt andere Werte wie Solidarität, Miteinander, gesundheitliche Unversehrtheit in den Fokus rücken. Dabei kommt jedem Individuum, aber auch den einzelnen Unternehmen eine gesellschaftliche Verantwortung zu. Sicherlich ist es für die Geschäftsführung ein schmaler Grat, allen Interessen gerecht zu werden. Dass ein Chef sich jedoch mit seinen Werten und Visionen positioniert, ist in diesen fragilen Zeiten wünschenswert, sinnstiftend und vertrauensbildend. Das funktioniert jedoch nur, wenn es authentisch gelebt wird und das setzt eine langfristige Strategie voraus.
*der Lesbarkeit halber haben wir uns entschieden, die männliche Form zu wählen. Zudem sind die männlichen, twitternden CEO’s (noch?) eindeutig in der Mehrzahl 😉.