Interviewfreigabe, aber richtig
Ein heikles Thema zwischen Journalisten, PR-Agenturen und ihren Kunden ist die in Deutschland praktizierte Autorisierung eines Interviews und der dahinter stehende Freigabeprozess. Tatsächlich sind Redaktionen rechtlich nicht dazu verpflichtet, verschriftlichte Interviews noch einmal freigeben zu lassen. Es ist ein Entgegenkommen dem Interviewten gegenüber, die Richtigkeit der Aussagen bestätigen oder gegebenenfalls korrigieren zu können. Aber nicht, um das Gesagte wieder einzufangen! Vielmehr sollten beide Seiten die Freigabe als Chance verstehen, einen korrekten Text im gegenseitigen Einvernehmen veröffentlichen zu können.
„Warum Sie in dieser Ausgabe kein Interview lesen“
Gerade bei prominenten Personen trieb dieser Autorisierungsprozess schon abenteuerliche Blüten. Man erinnere sich an Philipp Röslers Interview in der „taz“ 2013, das ohne die gegebenen Antworten abgedruckt wurde: Nachdem die FDP das Interview als ungünstig für den Wahlkampf eingestuft hatte, wurde keine Autorisierung erteilt. Ähnliches passierte bei einem Interview der Zeitschrift „Playboy“ mit RB Leipzig-Trainer Ralf Rangnick im Dezember 2017. Nachdem das tatsächlich informative, pointierte und authentische Interview im Nachgang bis zur Unkenntlichkeit verändert, gestrichen und verbessert wurde, beschloss die Playboy-Redaktion damals, ganz auf die Veröffentlichung zu verzichten und thematisierte dies auch im Editorial: „Warum Sie in dieser Ausgabe kein Interview mit Ralf Rangnick lesen“. (Mehr über den hanebüchenen Freigabeprozess in diesem Fall in der Februar-Ausgabe 2018 des Magazins „journalist“ und unter https://www.journalist-magazin.de/news/ach-gottchen-rb-leipzig) Es gibt auch Beispiele, bei denen ein Interview von einer Redaktion mit zahlreichen geschwärzten Passagen veröffentlicht wurde, um zu demonstrieren, wie stark der Interviewpartner im Nachhinein interveniert hat.
Journalisten bemängeln diese Art der Korrektur als „Beschönigen, Abschwächen und Weichspülen“ und sehen darin einen Eingriff in die Pressefreiheit. Interviewte und deren PR-Berater fürchten bei allzu knackigen Aussagen eine negative Resonanz in der Öffentlichkeit.
Fachpresse: Autorisierung als Absicherung
Doch abgesehen von diesen beiden Extrempositionen bietet die Autorisierung eines Interviews oder Beitrags allen Beteiligten einen gemeinsamen Nutzen: die Veröffentlichung eines Themas, an dem alle Seiten Interesse haben. Gerade im Fachpressebereich ist das Freigabeprozedere daher weniger problembehaftet, sondern eine Gewährleistung für die Richtigkeit eines Fachthemas. Sind die technischen Details korrekt, stimmt der wissenschaftliche Zusammenhang, ist das Bildmaterial richtig beschriftet? Derjenige, der freigibt, sollte sich immer bewusst machen, nur die Sachverhalte zu prüfen und zu berichtigen und nicht nachträglich sinnentstellend zu kürzen oder gar hinzuzudichten. Hinzu kommt der enge zeitliche Rahmen für die Autorisierung, den Agenturen und ihre Kunden nicht unnötig überdehnen sollten. Redaktionen haben straffe Zeitpläne für Anzeigenschluss, Redaktionsschluss, Druckunterlagenschluss, Satz, Schlusskorrektur und schließlich den eigentlichen Druck. Freigabezeiträume, die die Redaktion freundlicherweise zur Verfügung stellt, sind daher absolut einzuhalten.
Die richtige Vorbereitung
Da nicht jeder Mensch druckreif spricht, sind sprachliche Glättungen erlaubt, aber authentisch muss es bleiben. Wie schon die Journalistin Carola Tesche in einem unserer vorangegangenen Blogbeiträge erläutert hat, ist eine gute Interviewvorbereitung das A und O. Die betreuende Agentur kann mit Interview-Leitfäden unterstützen, Trainings anbieten und im Vorfeld mit der Redaktion mögliche Themen und Fragen abstimmen.
Wichtig zu klären: Was möchte ich als Unternehmen mitteilen und was lieber nicht? Letzteres sage ich dann auch nicht; auch nicht „off the record“. Agenturen sollten sich mit ihren Kunden bewusst machen: Hat das Unternehmen wirklich etwas zu sagen oder geht es nur um die Selbstdarstellung? Interviews über „echte“ Themen versprechen einen Mehrwert für Redaktion und Leser und sind für Redakteur und Interviewten gleich viel leichter zu führen – und im Endeffekt auch leichter abzustimmen. Als in den Freigabeprozess eingebundene Agentur plädieren wir für gegenseitige Rücksichtnahme und das Vertrauen in die jeweilige Expertise des anderen.