Buyer Persona Träume
Im Interview mit Anne Kraft, erfahrene Marken-Expertin von forte ideas, gehen wir dem Hype um das Buyer-Personas-Konzept in der Kommunikation auf den Grund.
Anne, wir haben das Gefühl, „Buyer Personas“ ist das aktuelle Lieblingswort im Marketing. Kannst Du in Deinen Worten erklären, um was es bei der Buyer-Personas-Definition eigentlich geht?
Es stimmt, das Konzept „Buyer Personas“ ist im Marketing wirklich in aller Munde. Es stellt knapp zusammengefasst den idealen Kunden dar, mit seinen Wünschen, seinen Bedürfnissen, seiner Mediennutzung und vielleicht auch mit seinen „Ängsten“. Es geht darum, einen Personentypus festzustellen, den man bisher noch nicht so genau definiert hat. Bisher nutzte man eher die Zielgruppe, um seine Produkte zu verkaufen. Jedoch ist diese sehr heterogen und eine passgenaue Vermarktung darüber gar nicht möglich. Innerhalb einer Zielgruppe lassen sich wiederum verschiedene Personas definieren.
Einmal kritisch nachgefragt: Ist es denn insbesondere im B2B-Bereich möglich, sich diesen Repräsentanten so genau in Workshops zu erarbeiten?
In Workshops definitiv nicht. Das ist einer der möglichen Fallstricke bei dem Konzept, wie man es gründlich missverstehen kann. Es geht eben nicht darum, sich innerhalb des Unternehmens den Wunschkunden selbst zu kreieren, ohne nachzuforschen, ob es wirklich so ist. Wenn man mit seinem Unternehmen relativ neu im Markt ist und noch keinen Kundenstamm hat, bietet sich Marktforschung an, um seine Buyer Personas zu definieren. Gerade im B2B-Bereich, wenn man bereits eine gewisse Marktposition hat, lassen sich einfach offene Interviews mit den bestehenden Kunden führen. Es gilt nachzufragen, wie zufrieden die Kunden sind, welche Wünsche sie haben, welche Verbesserungen sie sich vorstellen, wie und warum sie gekauft haben, durch welche Mediennutzung sie auf das Produkt aufmerksam geworden sind, was sie dabei besonders angesprochen hat. Daraus lassen sich die Informationen verdichten, wie eine typische Buyer Persona für dieses Produkt tickt. Ich muss mich dann fragen, welche Inhalte interessieren die Person, wie muss ich sie ansprechen, um ihr Interesse zu wecken, welche Sprache verwende ich?
Das Buyer-Personas-Konzept ist also viel spezifischer als die Zielgruppendefinition. Ist es deshalb so populär, weil auch die Kommunikationsmöglichkeiten immer vielfältiger geworden sind? Ich kann ja viel spezifischer an die Zielpersonen herantreten, Stichwort „Soziale Medien“.
Richtig, das ist der Vorteil. Man kann fast wieder von einem One-to-One-Marketing sprechen wie „früher“ bei Direktmailings. Über die sozialen Medien ist eine spezifischere Ansprache bestens möglich.
Das betrifft jetzt mehr den B2C-Bereich. Wie sieht es deiner Meinung nach bei B2B aus? Ist dort nicht durch das Produkt und den speziellen Markt sowieso klar, was der Kunde möchte? Beispielsweise wenn ein Unternehmen eine Komponente an Hersteller von Maschinen verkauft. Der Kunde möchte dann eine feste Lieferzusage, eine schnelle Lieferung, ein gut funktionierendes Produkt, Ausfallsicherheit … Sind das nicht alles kopierbare Aspekte? Benötige ich dafür eine Buyer Persona?
Natürlich ist es das, was letztlich jeder Kunde erwartet. Es ist aber auch das, was jeder Lieferant verspricht. Wenn ich mir Buyer Personas definiere, habe ich die Chance, herauszufinden, wie ich den Kunden wirklich erwischen kann. Welches Problem hat er gerade, welche weichen Faktoren spielen mit hinein? Ob man dies so spezifisch herausfindet, kommt sehr auf die Datensammlung an, die man aus den Interviews generiert.
Es können ja auch mehrere Buyer Personas dabei herauskommen. Dann muss ich in der Ansprache noch einmal viel stärker kategorisieren und unterteilen?
Das müsste man dann eigentlich, wobei es auch nicht günstig ist, sich zu sehr zu verkünsteln. Empfohlen wird häufig, zunächst mit einer zentralen Buyer Persona zu beginnen und zu sehen, wie erfolgreich diese Kommunikation verläuft.
Wann ist es aus Deiner Sicht sinnvoll, Buyer Personas zu erstellen, und wie geht man dabei vor?
Es ist nur dann sinnvoll, wenn man wirklich bereit ist, das Konzept konsequent anzuwenden. Sich einen fiktiven Steckbrief auszudenken, hilft gar nichts. Man muss eine detaillierte Datensammlung von echten Kunden anlegen. In einem ersten internen Workshop sollten die Fragen erarbeitet werden, die man dem Kunden stellen will. Was will ich genau über seine Kaufentscheidungen erfahren? Wie verläuft seine sogenannte Customer Journey? Je tiefer die Datensammlung geht, desto besser natürlich. In der Regel sind Bestandskunden gerne bereit Auskunft zu geben und lassen sich auf die dann folgenden Interviews ein, die von Mitarbeitern des Unternehmens geführt werden sollten. Diese müssen schließlich detailliert analysiert und ausgewertet werden.
Das klingt sehr aufwendig …
Man muss sich bewusst sein, dass dies ein sehr aufwendiges Verfahren ist, das Zeit und Engagement verlangt. Und das zudem nicht mit einer ersten Definition einer oder mehrerer Buyer Personas beendet ist. Personen und Einstellungen verändern sich. Man muss immer wieder abgleichen, nachjustieren und schauen, wie sich die Buyer Persona in ihrem Verhalten verändert. Das bedeutet, nach einiger Zeit erneut die Kunden zu befragen, auch diejenigen, die vielleicht neu hinzugekommen sind.
Wie siehst Du im B2B-Segment die konkurrierenden Begriffe Buyer Persona und Buying Center? Sind es Konkurrenten, was die zielgenaue Ansprache angeht? Das Buying Center umfasst ja bereits unterschiedliche Personengruppen, eben entsprechend ihren Funktionen im Unternehmen: Techniker, Einkäufer, Geschäftsführer. Benötigt man dann noch eine Individualisierung?
Durch das Persona-Konzept kann man innerhalb des Buying Centers noch weiter herunterkategorisieren und wieder spezifischere Ansprachen wählen. Dem Einkäufer wird in der Regel zugeschrieben, vor allem wirtschaftlich zu entscheiden. Aber zu hinterfragen wäre, welche anderen Beweggründe er darüber hinaus hat, sich für Produkt B und nicht Produkt A zu entscheiden. Und diese Informationen kann ich über die Persona dann geben. Man versucht, den Adressaten dort abzuholen, wo er gerade steht, mit der Information, die für ihn relevant ist.
Eine Kritik am Buyer-Personas-Konzept ist, dass der beschriebene Personenkreis trotzdem sehr heterogen sein kann und deshalb nutzlos ist, wie folgendes oft zitiertes Beispiel zeigt: Ozzy Osbourne und Prince Charles sind beide männlich, verheiratet, haben Kinder, sind in Großbritannien geboren und beruflich sehr erfolgreich.
Das entspricht nicht einer sinnvollen Anwendung des Ansatzes und beschreibt für mich auch keine Buyer Persona. Diese Fakten lassen allenfalls eine Zuordnung zu einer Art Zielgruppe zu. Ich muss hingegen auch etwas über die Ziele, Einstellungen, persönliche Motivation der Person erfahren.
Was hältst Du also persönlich von dem Buyer-Persona-Ansatz?
Gut gemacht ist eine Datensammlung über die Kundenmotivation, das Kaufverhalten, die Ziele, Wünsche und Probleme sehr wertvoll. Man darf sich nicht im Klein-Klein verlieren und womöglich noch Details dazuerfinden, die mit der Kaufentscheidung für oder gegen diese Maschinenkomponente nichts zu tun haben. Ob die Buyer Persona Harley fährt und gerne auf dem Campingplatz übernachtet, ist absolut irrelevant. Leider wird dies von Unternehmen oft missverstanden und eben eine solche fiktive Person mit Stockfoto erdacht, der irgendwelche Hobbys, Interessen und Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, die in dem Geschäftskontext keine Relevanz haben.
Wenn man nach gewissenhafter Definition der Personas bereit ist, verschiedene spezifische Ansprachen durchzuführen und die Inhalte entsprechend zusammenzustellen, ist das Konzept sehr hilfreich. Es muss einem aber klar sein, dass dann häufig auch eine Anpassung der eigenen Kommunikation und Inhalte vonnöten ist.
Das Interview führte Michaela Wassenberg mit Anne Kraft, Inhaberin von FORTE IDEAS Design- und Werbeagentur.